Nittel – Seit Menschen auf der Erde leben, wurden sie immer wieder von verschiedenen und teils sehr ansteckenden Krankheiten und Seuchen heimgesucht.
In den vergangenen Jahrhunderten waren dies z.B. Typhus, die Pest, die Cholera, die Pocken. Auch wenn die Krankheiten noch so lebensbedrohlich waren und viele Opfer forderten, die Menschen fanden immer einen Weg um die Krankheit zu besiegen. Auch die Menschen in Nittel und an der Obermosel blieben davon nicht verschont. Im Laufe des 30-jährigen Krieges (1618-1648) wurden die Menschen in unserer Heimat, etwa ab 1630, tief in die kriegerischen Auseinandersetzungen mit all ihren furchtbaren Begleiterscheinungen hineingezogen. Viele Dörfer wurden geplündert und niedergebrannt, viele Männer, Frauen und auch Kinder wurden auf grausame Art und Weise gefoltert, geschändet und sehr viele von ihnen verloren ihr Leben. Als die Soldaten ihr grausames Werk vollendet hatten, wurden die überlebenden Menschen an der Obermosel von Seuchen, hauptsächlich von der Pest, heimgesucht. Da die Menschen dieser Krankheit damals hilflos gegenüberstanden, fielen auch ihr zahlreiche Menschen zum Opfer. So wurde nach der Beendigung der Kriegshandlungen notiert, dass z.B. die Orte Rehlingen und Söst in dieser schlimmen Zeit durch die Kriegseinwirkungen und die Pest fast alle ihre Einwohner verloren.
Nittel gehörte damals zum Herzogtum Lothringen und der Beamte, der damals die lothringischen Steuern in Nittel eintreiben sollte, vermerkte ganz kurz und knapp, dass „Nittel nichts geben kann!“ Aus diesem Vermerk lässt sich erkennen, dass es den Einwohnern in Nittel wohl ähnlich ergangen war, wie vielen anderen Orten. Weiterhin ist überliefert, dass die Bevölkerung in Nittel im Frühjahr 1866 von einer sehr ansteckenden Krankheit, der Cholera, heimgesucht wurde. Der Krankheitsherd war wohl ein Brunnen in der „Mottergasse“. Damals mussten die Menschen das von ihnen benötigte Wasser aus zahlreichen Brunnen im Ort holen, eine zentrale Wasserversorgung, so wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht. Nachdem die Menschen dort ihr Wasser in diesem Brunnen geholt und getrunken hatten, wurden sie von schrecklichem Durchfall geplagt. Dann stellten sich heftige Krämpfe ein, bei denen die Menschen laut aufschrien von Schmerzen. Ihre Haut färbte sich dunkel, ihre Kräfte schwanden zusehends und meist wurden sie nach 2 bis sechs Tagen durch den Tod von ihrem Leiden erlöst.
Pastor Bersdorf meldet dem Generalvikariat in Trier, dass Nittel seit dem 11. März 1866 von der Cholera heimgesucht wurde und am 13. März schon 29 Menschen an der Cholera erkrankt waren. Die Menschen hatten kein rechtes Mittel gegen die Epidemie. Sie bestreuten die Zugänge zu den Häusern in denen Erkrankte waren mit Kalk und hofften so die Cholera eindämmen zu können. Der damalige Kreisarzt des Kreises Saarburg empfahl Rotwein zu trinken. Viel besser als alle diese Mittel half nach Meinung der Leute damals das Trinken von saurer Milch. Es wurde überliefert, dass ein Mann der von der Krankheit schon schwer gezeichnet war und mit dem baldigen Tod gerechnet wurde eine ganz Schüssel saurer Milch trank und sich daraufhin erholte und wieder gesund wurde. Trotz dieses Erfolges verloren in Nittel annähernd 30 Menschen ihr Leben durch die Cholera. An einem Tag starben sogar 3 Menschen. Der Schreiner Huber musste damals alle anderen Arbeiten einstellen um genügend Totenschreine anfertigen zu können.
In dieser Not suchte man nach Hilfe und entsann sich der Wallfahrtskapelle auf dem Nitteler Berg und dem heiligen Rochus, dem Schutzpatron gegen die Pest und ansteckende Krankheiten. Die Nitteler und die Bewohner der umliegenden Orte pilgerten abends zum Gotteshaus, beteten dort zum heiligen Rochus und baten ihn um Hilfe. Das Kapellengebäude befand sich zu dieser Zeit in einem schlechten Zustand, deshalb gelobten die Menschen, sobald die Cholera besiegt sei, die Kapelle wieder zu einem würdigen Gotteshaus herzurichten. Als die Cholera schließlich besiegt war, vollzogen die Menschen ihr Versprechen und richteten die Kapelle auf dem Berg wieder zu einem würdigen und schönen Gotteshaus her.
Der heilige Rochus wurde in Montpellier in Frankreich geboren. Wann genau er gelebt hat ist unklar, denn als Geburts-und Sterbedaten werden in den Überlieferungen widersprüchliche Daten genannt. Sicher ist, dass er im 14. Jahrhundert lebte und in seinem Leben viele Menschen die an der Pest erkrankt waren heilen konnte. Schließlich erkrankte auch er an der Pest und konnte mit Gottes Hilfe die Krankheit besiegen. Der heilige Rochus ist der Schutzpatron u.a. für die Bauern, die Winzer, die Gärtner und zum Schutz vor ansteckenden Krankheiten und Seuchen.
In der Erinnerung an die Geschehnisse aus dem Jahre 1866 fassten die Menschen den Vorsatz von dieser Zeit an alljährlich am Rochustag zur Kapelle zu pilgern, um dem heiligen Rochus zu danken, ihn um gute Ernten für die Bauern und Winzer zu bitten und die Menschen vor ansteckenden Krankheiten und Seuchen zu bewahren. Seit vielen Jahren wird in Nittel am dritten Wochenende im August die Rochuskirmes gefeiert. Ein fester Bestandteil der Rochuskirmes ist auch die Pilgerung zur Rochuskapelle am 16. August, dem Tag des heiligen Rochus, an der alljährlich zahlreiche Menschen aus Nittel und Umgebung teilnehmen. (Text und Foto: H.-J. Wietor)